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Die Anwendung der Düsseldorfer Tabelle – neue BGH-Rechtsprechung bei hohen Einkünften
Die Düsseldorfer Tabelle stellt ein gelungenes Instrument zur Berechnung von Kindesunterhaltsansprüchen dar, allerdings nur, wenn sie korrekt angewendet wird:
Maßstab: bereinigtes Nettoeinkommen
Zwar ist die Einkommensspalte mit „Nettoeinkommen des/der Barunterhaltspflichtigen“ überschrieben, gemeint ist jedoch nicht das Nettoeinkommen, das sich aus der Gehaltsbescheinigung oder bei Selbständigen und Gewerbetreibenden aus dem Gewinn nach Steuern ergibt, sondern das sog. bereinigte Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen, das wie folgt ermittelt wird:
Welche Einnahmen zählen?
Heranzuziehen ist zunächst das gesamte Einkommen des Unterhaltspflichtigen aus sämtlichen Einkunftsarten. Dazu zählen neben dem Erwerbseinkommen inklusive sämtlicher Zulagen, Sonderzahlungen und geldwerter Vorteile (bspw. für ein Firmenfahrzeug) auch Zins- oder Mieteinnahmen. Sollte der Unterhaltspflichtige mietfrei wohnen, ist ihm in der Regel die ersparte Miete als sog. Wohnvorteil wie Einkommen zuzurechnen.
Kommt er seiner unterhaltsrechtlichen Erwerbsobliegenheit nicht oder nicht vollständig nach, werden ihm ggf. fiktive Einkünfte zugerechnet.
Welche Ausgaben sind zu berücksichtigen? (nicht abschließend)
Von den so ermittelten Einnahmen sind zunächst die tatsächlich anfallenden Steuern und Sozialabgaben abzuziehen.
Zudem sind Aufwendungen berücksichtigungsfähig, welche aufgrund der Berufsausübung entstehen, beispielsweise die Fahrtkosten. Diese können entweder konkret geltend gemacht werden oder pauschal mit 5 % vom Nettoeinkommen.
Abzuziehen sind weiter Darlehensraten, soweit diese unterhaltsrechtlich berücksichtigungsfähig sind. Dies ist durch eine Interessenabwägung im Einzelfall zu beurteilen. Insbesondere muss jedoch ein vernünftiger Tilgungsplan vorliegen und die Höhe der Raten muss angemessen sein. Auch kommt es auf den Zeitpunkt der Darlehensaufnahme an.
Ferner sind Altersvorsorgeaufwendungen in Höhe von bis zu 23 % des Bruttoeinkommens (inkl. der Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung) zu berücksichtigen sowie weitere Vorsorgeaufwendungen bspw. für eine private Krankenzusatzversicherung.
Verwendung der Düsseldorfer Tabelle
Aus den so ermittelten Einkünften abzüglich der Ausgaben kann nun unter Berücksichtigung des Alters des Kindes der Tabellenbetrag ermittelt werden, wobei stets der Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen gewahrt werden muss und der Bedarfskontrollbetrag nicht unterschritten werden darf. Allerdings ist auch an dieser Stelle nochmals Vorsicht geboten: Die Düsseldorfer Tabelle geht davon aus, dass der Pflichtige Unterhalt an zwei Unterhaltsberechtigte leistet. Bei einer größeren oder geringeren Anzahl an Unterhaltsberechtigten erfolgt i.d.R eine Herabstufung oder Höherstufung in eine andere Einkommensgruppe.
Zu beachten ist zudem, dass von dem Tabellenbetrag noch das hälftige Kindergeld abzuziehen ist, soweit es an den betreuenden Elternteil ausbezahlt wird.
Neue BGH-Entscheidung bei hohen Einkommen
Bislang konnte der Kindesunterhalt nur bis zu einem bereinigten Nettoeinkommen von 5.500 EUR aus der Tabelle abgelesen werden. Bei höheren Einkünften musste aufwändig der sog. konkrete Bedarf durch eine detaillierte Aufstellung der anfallenden Ausgaben geltend gemacht werden oder der Berechtigte hat sich mit dem höchsten Tabellenbetrag „begnügt“. Mit seiner Entscheidung vom 16.9.2020 hat der BGH nun jedoch festgelegt, dass die Düsseldorfer Tabelle bis zu einem bereinigten Nettoeinkommen von 11.000 EUR fortgeschrieben werden kann.
Die Fortschreibung wurde in der Entscheidung jedoch nicht als Automatismus ausgestaltet, sondern lediglich als Möglichkeit, so dass abzuwarten bleibt, wie die Untergerichte die Entscheidung umsetzen werden. Die schematische Unterhaltsberechnung über die Düsseldorfer Tabelle bei höheren Einkünften würde jedenfalls zu einer enormen Vereinfachung der entsprechenden Verfahren führen.