Gemeinschaftliches Ehegattentestament und Bindungswirkung

Bei Eheleuten, die üblicherweise im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben, sieht die gesetzliche Erbfolge beim Tode eines Ehegatten vor, dass der andere die Hälfte des Vermögens des Verstorbenen erbt und die Kinder zu gleichen Teilen die andere Hälfte.

Nachdem aber meistens unter Eheleuten der Wunsch besteht, den länger Lebenden abzusichern, kann dies in Form eines Testaments geschehen.

In Betracht kommt natürlich zum einen ein Einzeltestament. Bei Eheleuten empfiehlt sich aber meistens ein gemeinschaftliches Testament.
Diese Testamentsform wird auch „Berliner Testament“ genannt.

Der Vorteil dieses gemeinschaftlichen Testaments besteht darin, dass es einerseits gemeinschaftlich errichtet wird und andererseits auch nur gemeinschaftlich wieder aufgehoben werden kann.



Möchte sich ein Ehegatte zu Lebzeiten von diesem Testament lösen, kann er dies durch einen notariell beurkundeten Widerruf erreichen.
Nach dem Erbfall kann sich der Ehegatte nur durch Ausschlagung lösen.

Der Vorteil bzw. ggf. auch der Nachteil des Berliner Testaments ist die sog. „Bindungswirkung“, die bei wechselbezüglichen Verfügungen eintritt.

Wenn Ehegatten sich bspw. gegenseitig einsetzen und für den Fall des Todes des länger Lebenden bereits konkrete Schlusserben benennen, ist dies i.d.R. eine wechselbezügliche Verfügung, die vom länger Lebenden nicht ohne weiteres abgeändert werden kann.

Nachteilig ist dies zum Beispiel, wenn einer der Ehegatten früh verstirbt und sich anschließend die familiäre Situation des länger Lebenden über Jahrzehnte noch dynamisch weiterentwickelt
Dieser kann auf solche Veränderungen seiner familiären Situation durch eine eventuell andere Verteilung seines Nachlasses dann leider nicht mehr reagieren.

Die Bindungswirkung kann aber auch vorteilhaft sein, z.B. dann, wenn die gemeinsamen Kinder bei dem länger Lebenden begründet oder unbegründet „in Ungnade fallen“ und der länger Lebenden sein Vermögen irgendeiner anderen Person, zB. dem neuen Ehegatten und dessen Kindern, zukommen lassen möchte.
Für diesen Fall ist bei einer Wechselbezüglichkeit der Anspruch der Kinder gesichert.

Zur Frage, wann eine Wechselbezüglichkeit vorliegt, gibt es eine umfangreiche Rechtsprechung und damit natürlich auch eine große Unsicherheit.
Deshalb empfehle ich, dass man bei der Testamentsgestaltung auf jeden Fall darauf achten soll, dass die wechselbezüglich gemeinten Verfügungen auch als solche bezeichnet werden.

Wie ich oben ausgeführt habe, hat die Bindungswirkung Vorteile aber auch Nachteile.
Ich selber empfehle daher meistens, dass betreffend der Bindungswirkung des Testamentes eine differenzierte Lösung gesucht wird, die einerseits das Interesse des Erstverstorbenen an der Einhaltung der Schlusserbeneinsetzung berücksichtigt, aber andererseits auch dem länger Lebenden einen gewissen Gestaltungsfreiraum einräumt.

Eine solche Lösung kann darin bestehen, dass man zwar die Einsetzung von Kindern oder den Schlusserben als bindend bezeichnet, dem länger Lebenden aber in einem bestimmten prozentualen Anteil des bei seinem Tode noch vorhandenen Nachlasses die Möglichkeit eröffnet, völlig frei zu testieren.

Hier sind viele verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten denkbar.
Zum Beispiel auch, dass der länger Lebende betreffend dem Anteil, der an die Abkömmlinge bindend zu gehen hat, zumindest die prozentuale Verteilung noch ändern kann oder dass noch weitere Abkömmlinge, also z.B. Enkelkinder, mit einbezogen werden können.

Natürlich gibt es beim Berliner Testament - abgesehen von der Bindungswirkung- , die jetzt in diesem Artikel thematisiert wurde, auch noch viele andere Regelungen, die aufgenommen werden können.

Hier möchte ich nur noch kurz die „Pflichtteilstrafklausel“ erwähnen, die möglichst sicher stellen soll, dass die Schlusserben auch tatsächlich abwarten, bis der Schlusserbfall eintritt:
Macht demnach ein Abkömmling bereits nach dem Tode des Erstversterbenden seinen Pflichtteil geltend, führt dies aufgrund der Pflichtteilstrafklausel (wenn diese aufgenommen wird) dazu, dass er letztlich auch nach dem Tode des Letztversterbenden nur den Pflichtteil, also deutlich weniger, erhält.